Vom Informationsraum getrieben:
Die Tech-Ökonomie verändert die Weltwirtschaft unaufhaltsam

Was bedeutet Tech-Ökonomie? Wie verändert sie die Systeme? Und wer trägt sie? Die Arbeitsforscherinnen Anja Bultemeier und Kira Marrs sind in Vorbereitung auf ihr neues Forschungsprojekt #100TechFrauen einem schillernden Begriff auf den Grund gegangen. Ihre These: Die Tech-Ökonomie steht für den dynamischen Umbruch in eine vom Internet getriebene Wirtschaft und bietet das Potenzial für die Entstehung „menschenzentrierter Mitmachorganisationen“.

Ubiquitäre Veränderungsdynamik

Wer versucht, sich dem Wesen der Tech-Ökonomie zu nähern, stößt oftmals auf Hilfskonstruktionen. Mal ist von der Tech-Branche als einem hoch innovativen und dynamischen, aber abgegrenzten Bereich unserer Volkswirtschaft mit enormem Wachstumspotenzial die Rede, mal von Tech-Unternehmen als einem neuen Typus von Organisation, die Internetanwendungen entwickeln, betreiben und zu Geld machen, mal von einem offenen und vernetzten Eco-System, das durch Mega-Trends wie das Internet der Dinge oder Künstliche Intelligenz entstanden ist. Für Bultemeier und Marrs springen solche Ansätze zu kurz. Die beiden Forscherinnen sehen in der sich gerade ausprägenden Tech-Ökonomie das Ergebnis einer „ubiquitären Veränderungsdynamik“, die im Internet ihren Ursprung hat und drei Ebenen umfasst: die Wertschöpfungssysteme, die Entwicklung von Innovationen und die Organisation von Arbeit.

Wertschöpfung im Informationsraum

In den 1990er Jahren von den Internetunternehmen des Silicon Valley in Gang gesetzt und weiter verbreitet in der Start-up Szene und der Digitalwirtschaft, hat dieser Umbruch in eine neue Wirtschaftsform inzwischen auch die (klassischen) Sektoren Industrie und Dienstleistungen erreicht. „Legt man die Definitionen der Tech-Ökonomie übereinander, die es derzeit in Wissenschaft und Wirtschaft gibt, findet man einen gemeinsamen Nenner: den Aufstieg des Internets zu einem global verfügbaren Informationsraum, der neue Möglichkeiten zur Generierung, Verarbeitung und Vernetzung von Daten bietet“, sagt Kira Marrs. Dieser Informationsraum hat sich laut der Analyse ihres Forschungsteams „Informatiserung der Gesellschaft und Zukunft der Arbeit“ (IdGuZdA) am ISF München inzwischen zu einer „Mitmach-Infrastruktur“ entwickelt. Sie verbindet Gesellschaft und Wirtschaft über Daten und Informationen und bildet damit auch die Basis für neuartige Wertschöpfungssysteme, die von Daten als „Rohstoff“ leben. Unternehmen nutzen diesen Rohstoff erstens, um neue Gebrauchswerte zu schaffen, zweitens, um über Plattformen unmittelbaren Zugang zu ihren Kunden und Kundinnen zu bekommen, und drittens, um in permanenten Innovationsprozessen neue Produkte, Anwendungen und Lösungen zu kreieren.

„Legt man die Definitionen der Tech-Ökonomie übereinander, die es derzeit in Wissenschaft und Wirtschaft gibt, findet man einen gemeinsamen Nenner: den Aufstieg des Internets zu einem global verfügbaren Informationsraum, der neue Möglichkeiten zur Generierung, Verarbeitung und Vernetzung von Daten bietet“

Dr. Kira Marrs

Wissenschaftlerin, ISF München

Innovationen im neuen Modus

Wie bedeutsam der Wandel zur Tech-Ökonomie ist, zeigt vor allem das Thema Innovation. So prognostiziert der Fraunhofer-Verbund Innovationsforschung, dass sich angesichts der neuen Möglichkeiten des Internets und einer wachenden Markt-Dynamik bis zum Jahr 2030 sowohl die Bedeutung von Innovationen als auch die Art und Weise, wie sie generiert werden, grundlegend ändern. Innovationen werden nach Einschätzung der Expertinnen und Experten dann jenseits von Forschungs- und Entwicklungsabteilungen in komplexen, offenen und lernfähigen Strukturen interdisziplinärer Akteurinnen und Akteure geschaffen, orientieren sich am Nutzwert von Produkten, laufen durchgehend digitalisiert ab und folgen dem Credo der „Open Science“ von kollektivem Wissen. Agile Prozesse und Formate sind in diesem Szenario ebenso zentral wie eine neue Unternehmenskultur, die Kooperation und gemeinsames Lernen hochhält. „In den Unternehmen, die sich zu den Vorreitern der Tech-Ökonomie zählen, ist das schon heute Realität“, beobachtet Anja Bultemeier. „Mittels der Daten, die ihre Kundinnen und Kunden bei der Nutzung von Produkten und Dienstleistungen erzeugen, kreieren sie Innovationen in einem Kreislauf permanenten Lernens.“ Und sie machen vor, wie sich die Strukturen und die Organisation von Arbeit verändern, damit dieser neue Innovationsmodus funktioniert.

„Mittels der Daten, die ihre Kundinnen und Kunden bei der Nutzung von Produkten und Dienstleistungen erzeugen, kreieren sie Innovationen in einem Kreislauf permanenten Lernens.“

Dipl.-Pol. Anja Bultemeier

Wissenschaftlerin, FAU Erlangen-Nürnberg

Arbeit im Mitmachunternehmen

Denn auf dem Weg zur Tech-Ökonomie werden verkrustete hierarchische Strukturen zum Auslaufmodell. Sie zielt laut der Analyse von Marrs und Bultemeier vor allem auf die Freisetzung der Kreativität der Beschäftigten, Offenheit gegenüber neuen Erkenntnissen und Entwicklungen, Adaptionsfähigkeit und kollektives Lernen. Innovationen entstehen in der Tech-Ökonomie in Netzwerken und komplexen Arbeitsprozessen durch Menschen mit unterschiedlichen Professionen, Kompetenzen und Funktionen. Um dieses Zusammenspiel zu managen, braucht es nach Überzeugung der beiden Wissenschaftlerinnen allerdings mehr als neue agile Organisationskonzepte und Formen der Zusammenarbeit. „Erfolgreiche Tech-Unternehmen fokussieren vor allem auf ihre Mitarbeitenden und auf deren reibungslose Interaktion, weil sie die entscheidenden Größen im Innovationsprozess sind“, ist Kira Marrs überzeugt. In der Folge investierten sie erheblich in die Befähigung ihrer Leute, in deren Weiterentwicklung sowie in die Etablierung eines neuen Mindset, das Offenheit, Wertschätzung, Beteiligung und Empowerment fördert. Die Tech-Ökonomie, schlussfolgern Marrs und Bultemeier, werde von Organisationen getragen, „die sich nicht nur die technischen Möglichkeiten des Internets zunutze machen, sondern sich im Informationsraum auch als menschenzentrierte Mitmachunternehmen neu aufstellen“.

Lesen Sie demnächst in unserem Beitrag „Frauen in der Tech-Ökonomie: Zeit für einen Perspektivenwechsel“, welche Möglichkeiten die Tech-Ökonomie Frauen öffnet und warum sie das vieldiskutierte MINT-Gap schließen und Frauen zu Vorreiterinnen neuer Innovationskulturen machen kann.

 

Wussten Sie schon,

dass der deutsche Technologiemarkt sich seit dem Jahr 2000 mit einem Plus von 104 % mehr als verdoppelt hat? Und dass Experten der Tech-Branche hierzulande bis zum Jahr 2022 eine Umsatzsteigerung um mehr als 20 % auf fast 280 Mrd. €. prognostizieren?

Quelle: Deloitte

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