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KI braucht Frauen und ihre Kompetenzen

SAP-Managerin Eva Zauke hat immer wieder erlebt, wie die Digitalisierung Produkte, Geschäftsmodelle, Wertschöpfungssysteme und die Arbeitswelt disruptiv verändert hat. Jetzt begleitet die studierte Informatikerin und Betriebswirtin mit ChatGPT & Co. den nächsten radikalen Umbruch, der auch die Softwareentwicklung revolutioniert. Sie ist überzeugt: Frauen und ihre Kompetenzen werden in der neuen Welt der generativen KI gebraucht.

Künstliche Intelligenz ist überall

Wir alle spüren es: Künstliche Intelligenz ist in allen Bereichen unseres Lebens und Arbeitens angekommen. Jeder Manager, jede Managerin hat inzwischen verstanden, dass KI riesige Potenziale bietet, um die Qualität von Produkten und Services zu verbessern. Aber wir stehen erst am Anfang viel weiterreichender Veränderungen, deren konkrete Folgen und Wechselwirkungen wir uns heute überhaupt noch nicht vorstellen können. Denn KI optimiert nicht nur. Sie führt zu neuen Produkten und Geschäftsmodellen. Sie öffnet neue Möglichkeiten, sich am Markt zu positionieren und von der Konkurrenz abzuheben. KI verändert auch die Beziehungen zu unseren Kunden, sie verändert, wie wir arbeiten, und sie stellt die Softwareentwicklung vor neue Herausforderungen. Wir stehen einer dynamischen Entwicklung gegenüber, die mit dem Launch von Open AI und generativer KI im November 2022 noch mehr Fahrt aufgenommen hat und für die wir auf allen Ebenen im Unternehmen Antworten finden müssen.

 

Riesige Datenmengen managen und Prozesse „intelligent“ machen

Was ist alles möglich? Wir können mit KI die Produktions- und Vertriebsprozesse optimieren, Produkte zugleich automatisiert, skalierbar und individualisiert entwickeln oder unsere Services noch zielgerichteter anbieten. Die SAP-Kunden erwarten, dass wir diese Mehrwerte liefern. Was dahinter steht, sind allerdings riesige Datenmengen, die aus unterschiedlichen Quellen stammend immer mehr zu einem großen „Mix and Match“ zusammengeführt werden. Bei SAP können wir derzeit für das neue ChatGPT-Zeitalter „üben“. Auf einer Art KI-Spielplatz sammeln wir Erfahrungen mit mehr als 20 Large-Language-Modellen. Dabei stellen wir immer wieder fest: Daten halluzinieren und erzeugen oft Stereotype und Biases, die sich später in Software zementieren. Die Vertrauenswürdigkeit von Daten ist also ein Megathema. Sind sie korrekt? Sind sie sicher? Was passiert mit ihnen? Diese Fragen treiben uns als Unternehmen ebenso um wie unsere Kunden. Dazu kommt die Innovation in den Geschäftsprozessen, die mit Hilfe von generativer KI neue Möglichkeiten eröffnen. Neue Anwendungsfälle können zum Mehrwert der Kunden bereitgestellt oder mit der KI „eingebaut“ werden oder es können komplett neue Abläufe von Geschäftsprozessen definiert werden.

 

Vielfältige Herausforderungen

Das Management dieses „Mix and Match“ stellt uns vor drei zentrale Herausforderungen. Wenn wir KI in unsere Prozesse, Produkte und Services integrieren, müssen wir für Datensicherheit sorgen. Wir müssen uns aber auch mit den energetischen Folgen auseinandersetzen. Denn riesige Datenmengen zu prozessieren bedeutet, riesige Mengen an Energie zu verbrauchen. Ebenso relevant wie die Datensicherheit und der Energieverbrauch ist die dritte, die ethische Frage: Welche Rolle spielt der Mensch bei der Entwicklung, Gestaltung und Nutzung von KI?

 

Der Mensch spielt eine zentrale Rolle

Bei SAP setzen wir auf „Responsible AI“. Bei jedem Anwendungsfall denken wir ethische Fragen mit und wir beschreiben genau, was in der KI passiert. Hierbei brauchen wir den Menschen – um Daten zu beurteilen, sie verantwortungsvoll zu prozessieren und mit Blick auf die späteren Anwendungen die richtigen Entscheidungen zu treffen. KI hat umgekehrt aber auch Auswirkungen auf unsere Arbeitswelt, unsere Mitarbeitenden und ihre Aus- und Weiterbildung. Wenn Menschen heute mit Software ganz anders interagieren, wenn sie beim Bezahlen von Rechnungen oder bei Online-Bestellungen nicht mehr auf Knöpfe drücken, sondern Fragen an die Software stellen und mit ihr in einer nichttechnischen Sprache kommunizieren, müssen unsere Entwicklerinnen und Entwickler sich auf dieses Verhalten der Nutzerinnen und Nutzer einstellen.

 

Softwareentwicklung im Wandel

Dabei ist es spannend zu beobachten, wie die Softwareentwicklung selbst heute immer mehr auf Vorschlägen, auf der Beschreibung von Anwendungsszenarien und auf einer optimalen Formulierung von Anfragen basiert, mit denen die Modelle weiter trainiert werden. „Prompt Engineering“ wird zu einer Kernkompetenz. Softwareentwicklerinnen und -entwickler werden in Zukunft die KI als Grundlage nutzen, ihre Programmier-Vorschläge selbst beurteilen, verfeinern und, weiterentwickeln. Sie müssen die Gesamtarchitektur einer Lösung oder einer ganzen Suite stärker im Auge behalten als früher. Zugespitzt heißt das: Die Aufgaben für Informatikerinnen und Informatiker ändern sich signifikant – es geht um ein profundes Verständnis von KI-Technologien, das Denken in ganzheitlichen Strukturen und darum, einen „Sensor“ für Daten und ihre Quellen zu haben.

 

Technische und ethische Fragen verbinden

Mit generativer KI hat uns also eine riesige neue Welle der Disruption erreicht und sie wird immer größer. Um dennoch erfolgreich zu sein, brauchen wir die besten Talente. Sie zu überzeugen verlangt jedoch größere Anstrengungen als bislang. Rund 184.000 Stellen sind laut dem Branchenverband Bitkom im Moment in der IT offen. Es gibt viel zu wenige Data Scientists. Und ich bin auch überzeugt, dass wir mit Blick auf ChatGPT & Co. in der KI-Welt mehr Frauen und ihre Kompetenzen brauchen. Weil sie technische und ethische Fragen gut miteinander verbinden können. Weil sie in besonderer Weise dazu in der Lage sind, die richtigen Fragen an die KI aus unterschiedlichen Perspektiven zu stellen, und weil sie zu einem kritischen Diskurs bereit sind. Weil sie ganzheitlich auf Innovationen schauen und vielleicht auch mehr von einer kritischen Neugierde motiviert werden.

 

Frauen nachhaltig und strukturell fördern

Wenn wir mehr Frauen für die KI-Welt gewinnen wollen, müssen wir sie mit wirkungsvollen Maßnahmen nachhaltig und strukturell fördern. Es reicht nicht, Erwartungen zu formulieren. Wir müssen die Begeisterung von Frauen für Technologie und ihre Wirksamkeit fördern. Hierfür gibt es viele Stellschrauben, es kommt auf die Entschiedenheit und konsequente Umsetzung an. Flexibles und hybrides Arbeiten gehört dazu, ebenso eine unparteiische Förderung von Frauen, zu der wir auch die männlichen Führungskräfte verpflichten müssen. Wir brauchen eine Orientierung an klaren Zielen und Business-KPIs. In meinem Dashboard sehe ich zum Beispiel im Detail pro Land und pro Level, wie viele meiner Leute ein bestimmtes Training absolviert haben. Ich sehe auch, wie Frauen bei Gehaltsrunden und Boniverteilungen abgeschnitten haben oder wie ihre Karriere verläuft. Und nicht zuletzt geht es um kulturelle Fragen, die nicht nur für Frauen wichtig sind. Wie arbeite ich? Tue ich etwas Sinnstiftendes? Wenn wir die guten Leute haben wollen, macht auch die Unternehmenskultur den Unterschied.