Eva Bacon ist weder Informatikerin noch Ingenieurin. Sie hat auch kein MINT-Fach studiert. Dennoch hat die 40-Jährige in der Tech-Ökonomie erfolgreich Fuß gefasst. Die Karriere der Literatur- und Kommunikationswissenschaftlerin, die heute Senior Programm-Managerin bei Google ist, zeigt: In Tech-Unternehmen sind nicht nur MINT-Qualifikationen und technische Finesse gefragt. Komplementär dazu sind dort Tätigkeitsfelder entstanden, in denen es um die Organisation, Konzeption und Orchestrierung komplexer Innovationsprozesse geht. Das eröffnet Frauen und Quereinsteigenden neue Perspektiven.
Generalisten werden überall gebraucht
„Ich bin eine Generalistin“, sagt Eva Bacon. „Und diese Fähigkeit kann ich praktisch überall im Unternehmen einbringen – in einem Hardware-, Software- oder Organisationsteam.“ Die Philosophie dahinter beschreibt sie mit „Getting things done“. Man könnte dies auch auf ihre Karriere in der Tech-Ökonomie übertragen. 2012 hat Bacon ihren sicheren Job bei einer Literaturscouting-Agentur in New York aufgegeben und den Sprung in die Welt der Internetökonomie gewagt. Ihre Eintrittskarte für Google waren erste, rudimentäre Erfahrungen mit internen Datenbanken, ihre erste Aufgabe dort war es, an der Integration des Restaurantführers „Zagat“ mitzuwirken, den Google aufgekauft hatte. Gestartet ist sie bei dem Internetunternehmen mit einem Jahresvertrag und gemeinsam mit 80 anderen, die das Internetunternehmen „von heute auf morgen“ anheuerte. Am Ende wurden zwei übernommen. Eva Bacon war eine von ihnen.
Unterschiedliche Rollen in unterschiedlichen Bereichen
Seitdem hat sie sich – seit 2013 in einer Festanstellung – im Unternehmen eine Vielzahl an Rollen und Aufgabenprofilen in ganz unterschiedlichen Bereichen erschlossen und die Entwicklung, Bereitstellung und Markteinführung zahlreicher Google-Produkte mit vorangetrieben. Als „Geo-Data Specialist“ hat sie bei Google Maps, als „Scrum Master“ in einem Softwareentwicklungs-Team gearbeitet. Danach war sie zunächst als Test-Managerin an der Entwicklung des digitalen Whiteboards von Google und anschließend als „Deployment“-Managerin an dessen Produktlaunch beteiligt. Bacon konzipierte, steuerte und evaluierte in diesen beiden Rollen den internen Testprozess für das „Jamboard“ und war für seine globale Bereitstellung verantwortlich – Aufgaben, die sie anschließend auch bei der Entwicklung und Markteinführung einer Videokonferenz-Hardware übernahm. Inzwischen ist sie als Programm-Managerin für Verbesserungen in Produkten, Prozessen und Logistik hinter der Konzern-IT zuständig und damit auf einem Karrierepfad, der neben dem Technik-Management fest bei Google verankert ist.
Gefragt sind komplementäre Fähigkeiten
Wie kam es zu dieser außergewöhnlichen Karriere? Geholfen hat Bacon ihre Affinität zu digitalen Technologien. „Mein Vater ist sehr computeraffin. Ich bin also ein Stück weit damit aufgewachsen und hatte nie Berührungsängste“, berichtet sie. Schon mit ihrer Magisterarbeit über die „digitale Bohème“ bewegte sie sich an der Schnittstelle zwischen Geisteswissenschaften und Technik. Die Bereitschaft, digitale Technologien in ihren Grundzügen zu verstehen, sich die „Sprache“ der verschiedenen technischen Berufe anzueignen und die gesellschaftlichen Auswirkungen von Technik einschätzen zu lernen, hat ihr den Aufstieg bei Google erleichtert. Ihre Karriere wurde nicht zuletzt möglich, weil das Tech-Unternehmen ihre Fähigkeiten als Literatur- und Kommunikationswissenschaftlerin dringend brauchte. Selbstständiges Arbeiten, die Konzeption und Umsetzung komplexer Prozesse, vorausschauende Analyse und Strategiebildung, Kommunikation und die Moderation von crossfunktionalen Teams gehören zu den menschen- und kundenorientierten Kompetenzen, die in der Tech-Ökonomie komplementär zum technischen Know-how zunehmend gefragt sind.
Mit Pioniergeist Zukunft gestalten
Damit öffnet sich dieses Feld für neue nicht-technische Rollen und Berufe, die es nicht nur Frauen wie Eva Bacon, sondern auch Quereinsteigerinnen und Quereinsteigern insgesamt ermöglichen, ihren Platz in der Tech-Ökonomie zu finden und sich von dort aus kontinuierlich weiterzubilden und zu entwickeln. Und wie lebt es sich dort? Bacon hatte am Anfang Sorgen, als Fachfremde bei Google nicht wirklich akzeptiert zu werden. Sie traf auf eine Unternehmenskultur, die auf gegenseitiger Wertschätzung beruht, die auf das Zusammenspiel von technischen und nicht-technischen Fachkräften setzt, Durchlässigkeit zwischen unterschiedlichen Bereichen und Tätigkeiten ermöglicht und die Mitarbeitenden in den Mittelpunkt stellt. „Niemand schaut auf mich herab, weil ich keine Software-Ingenieurin bin“, sagt sie. Heute sieht sich Bacon als Teil der Internetökonomie und gestaltet von dort aus nicht nur die Zukunft der Arbeitswelt, sondern auch der Gesellschaft mit.