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Durch und durch agil:
Ulrike Messmer setzt mit „Servant Leadership“ auf ein gesundes und respektvolles Arbeitsumfeld

Ulrike Messmer spielt als „Scrum of Scrum of Scrums Master“ eines Geschäftsfeldes eine zentrale Rolle in der skalierten agilen Softwareentwicklung des IT-Dienstleisters Atruvia AG. Dabei setzt sie auf Empowerment, Selbstorganisation und Führung auf Augenhöhe. Warum Agilität und „Servant Leadership“ für sie so wichtig sind, erklärt sie in diesem Interview.

Frau Messmer, nur wenige Unternehmen setzen Agilität so konsequent um wie die Atruvia AG. Wie arbeitet eine agile Organisation 2.0?

Das zentrale Glied in einer agilen Organisation ist das Team, bei Atruvia ein Squad – angelehnt an das Spotify-Modell. Ein Squad ist selbstorganisiert, autonom und eigenverantwortlich. Aufgrund der Größe der Atruvia sind mehrere Squads unter einem Tribe gebündelt, der seine Squads in ihrer Arbeit unterstützt. Mehrere Tribes sind wiederum in einem Geschäftsfeld zusammengefasst. Sowohl im Tribe wie auch im Geschäftsfeld gibt es verschiedene Mitarbeitende, die das Geschäftsfeld, die Tribes und – am wichtigsten – die Squads in ihrer Arbeit unterstützen. Dabei setzen wir auf agile Werte, Eigenverantwortung, Vertrauen, Transparenz und Flexibilität.

 

Der Begriff des Scrum Masters ist ja den meisten Menschen inzwischen geläufig. Sie arbeiten als Scrum of Scrum of Scrums Master in einer Schlüsselrolle. Was verbirgt sich dahinter?

Ich stehe den Kolleginnen und Kollegen des Geschäftsfeldes, den Tribes und den Squads mit Rat und Tat zur Seite, fördere sie in ihren agilen Gedanken und auch bei Versuchen, Neues auszuprobieren – natürlich alles im Sinne der Verbesserung unserer Lieferorganisation. Ich bringe Menschen zusammen, wo notwendig, und fördere die Transparenz und die Benennung von Hindernissen und Problemen (= Impediments). Ein zentrales Instrument für uns alle ist das PI-Planning. Das bedeutet: Program Increment Planning. Im PI-Planning teilen die Squad Owner ihre Produktvision mit dem Team. Das Team plant für die nächsten 12 bis 13 Wochen die Features und commitet sich am Ende des Plannings für das folgende Program Increment (PI) auf diesen Inhalt. In diesem Zeitraum setzt das Team die zugesagten Inhalte um, die dann an die Kunden ausgeliefert werden. Eine weitere, sehr zentrale Aufgabe für mich ist die Zusammenarbeit mit anderen Geschäfts- und Servicefeldern.

 

Wie interpretieren Sie diese Rolle? Was ist Ihnen dabei wichtig?

Mir ist wichtig, mit Menschen zu arbeiten. Ich verstehe mich als „Servant Leader“. Das ist der Schlüssel für mich. Wenn ich den Menschen nicht helfe, wenn ich ihnen nicht auf Augenhöhe begegne, wenn ich mich nicht in den Dienst der Sache stelle, dann kann ich meine Kolleginnen und Kollegen nicht abholen und sie werden mich auch nicht akzeptieren. Ich agiere nicht aus einer Hierarchieebene heraus. Das wäre am Ende auch schlecht für das Produkt. In meinem Umfeld gibt es keine Fließbänder. Es sind die Menschen, die Qualität garantieren. Die Software, die von den Squads ausgeliefert wird, ist das Ergebnis ihrer Arbeit. Ich darf keine Last für die KollegInnen sein, sondern muss ihnen einen Mehrwert bieten.

Vor allem aber kommt es darauf an, dass Agilität wirklich gelebt wird. Agilität ist immer menschenbezogen und lebt von Individuen, die hinter einem agilen Mindset stehen.

Was schätzen Sie so an einem agilen Arbeitsumfeld?

Ich würde es mal mit den fünf agilen Werten umschreiben: Commitment, Fokus, Offenheit, Respekt und Mut. Agilität basiert nicht auf Hierarchie, nicht auf Tracking und Controlling, sondern auf Transparenz, Überprüfung – im Squad – und Anpassung. Eine Führungskraft ist Partner für den Squad, nicht die Person, die alles vorgibt. Squads übernehmen die Verantwortung für ihr Tun, sie sind für ihr Produkt zuständig und sollen stolz darauf sein. Und ich? Ich muss akzeptieren, wenn in meinem Umfeld etwas anders entschieden wird, als ich es gerne hätte. Das bedeutet aber auch: Ich beziehungsweise eine Führungskraft muss den Squads gegenüber transparent sein und die Squads mitnehmen, damit die Squads auch eigenverantwortlich die richtigen Entscheidungen treffen können.

 

Worauf kommt es an in einem agilen Setting?

Natürlich müssen die Strukturen funktionieren. Auch die Teams müssen intakt sein. Vor allem aber kommt es darauf an, dass Agilität wirklich gelebt wird. Agilität ist immer menschenbezogen und lebt von Individuen, die hinter einem agilen Mindset stehen, die zum Beispiel davon überzeugt sind, dass Fehler sie weiterbringen. Es hängt also viel von der Unternehmenskultur ab.

 

Welche Fähigkeiten muss man mitbringen für die Rolle eines Scrum of Scrum of Scrums Master?

Es gibt unterschiedliche Zugänge zu diesem Job. Manche kommen aus der Methodik als Agile Coach, manche direkt aus der Entwicklung als Scrum Master oder Product Owner, manche aus dem Projektmanagement. Grundsätzlich sind die Grenzen offen, aber Technikverständnis zu haben ist schon sehr hilfreich. Ich habe eine Ausbildung in der Bank gemacht, danach Wirtschaftsinformatik studiert und lange im Projektmanagement gearbeitet. Aber das Wichtigste ist aus meiner Sicht: Interesse an Menschen zu haben und zu verstehen, was sie tun. Und: ihnen zuzuhören.

 

Warum ist Ihre jetzige Rolle genau die richtige für Sie?

Weil ich in einem technischen Umfeld, in der Softwareentwicklung, mit Menschen zusammenarbeiten und mit ihnen gemeinsam Ergebnisse erzielen und Erfolge erreichen kann. Das war mir immer wichtiger, als die Karriereleiter hochzusteigen.